„Ich freue mich auf die WMTRC 2023 – mich verbindet viel mit dem Stubai, und ich hoffe, einen Heimvorteil zu besitzen.“

Andrea Mayr

Andrea Mayr

Es gibt keine Sportlerin, die den Berglauf mehr geprägt hat als Andrea Mayr. Historisch betrachtet. Klingt ein bisschen nach der guten alten Zeit, und ja, wenn man so will, in dieser ist die Oberösterreicherin auch schon gelaufen. Die Berglauf-WM in Innsbruck 2002 war ihr erster Auftritt bei diesem Event, und die damals 22-jährige landete auf Platz 23.

Das ist 21 Jahre her. Dazwischen liegen der Gewinn von sechs WM-Titeln und drei weiteren Einzel-Medaillen (zuletzt Silber in Chiang Mai 2022), dazwischen liegen auch Triumphe bei vier Europameisterschaften, zwei WM-Titel im Skibergsteigen, drei Siege beim Empire State Building Run-Up, ein immer noch gültiger österreichischer Rekord im Marathon, zwei Olympiateilnahmen, ein Vize-Europameistertitel im Duathlon, und 45 österreichische Staatsmeisterschaften.

„Ob es jetzt 45 Titel oder mehr oder weniger sind – es ist mir zu mühsam, diese alle zusammenzuzählen“, wiegelt Mayr ab und sagt einen Satz, der so einfach und so wahr ist: „Wenn ich nur auf die Zahlen gehe, werte ich jeden einzelnen Erfolg für sich ab.“ So ist es nicht verwunderlich, dass einer ihrer schönsten Momente nicht einmal ein erster, sondern ein dritter Rang war. „2009 musste ich mich am Fuß operieren lassen und konnte nach einer dreimonatigen Pause erst sechs Wochen vor den Europameisterschaften in Telfes im Stubai wieder gehen. Dann holte ich Bronze. Für viele war es eine Enttäuschung, für mich selbst ein Wahnsinns-Erfolg.“

Und nun ist sie wieder – oder besser: immer noch – da, in Innsbruck und Stubai. Ist 43 Jahre alt. Sagt seit zehn Jahren, „dass dies meine letzte Saison ist“. Und gehört nicht nur zu den Besten Österreichs, sondern ist die Beste des Landes und immer noch eine der Besten der Welt.

„Als ich gehört habe, dass die World Mountain and Trail Running Championships in der Heimat stattfinden, da habe ich mir gedacht: Na ja, probieren wir es eben noch einmal.“

Mayr überrascht mit einer Ansage. „Ich habe aktuell recht wenig Zeit, weil mein Partner und ich ein Pflegekind aufnehmen, das Mädchen ist vier Jahre alt, es zieht Mitte März bei uns ein. Deswegen denke ich, dass dies meine letzte Weltmeisterschaft sein wird, an der ich teilnehme – umso schöner, dass es eine Heim-WM ist.“

Auf diese freut sich die Oberärztin für Orthopädische Chirurgie am Salzkammergut Kilinikum in Gmunden sehr. „Es wird ein Fest, und ich hoffe, das Heimpublikum unterstützend an meiner Seite zu haben. Es motiviert ungemein, wenn am Streckenrand Menschenmassen stehen, die deinen Namen rufen, so wie es beispielsweise in Wien war, als ich Österreich-Rekord gelaufen bin. So war es auch bei der Berglauf-Europameisterschaft in Heiligenblut: Wenn ich an den letzten Kilometer hinauf auf die Franz Josef-Höhe denke, dann bekomme ich heute noch Gänsehaut. Links und rechts standen die Zuschauer Spalier und feuerten mich an.“

Was pusht, erzeugt auch Druck. Mayr geht es in den Tagen vor den Rennen meistens nicht gut, sie ist nicht nur ein bisschen aufgeregt, sondern extrem nervös. „Das war schon immer so, diesbezüglich bin ich nicht älter geworden. Aber wenn ich dann an der Startlinie stehe, ist der Stress weg, und der Zieleinlauf wiegt alles auf.“

Routine, Erfahrung, Lebenseinstellung haben die Sportlerin Andrea Mayr zu dem gemacht, was sie heute ist. Sie weiß, was sie im Berglauf kann und wer sie in dieser Szene ist, ohne sich dabei zu wichtig zu nehmen. „Wenn ich am nächsten Tag im Krankenhaus zum Dienst erscheine, ist es egal, ob ich eine Medaille gewonnen habe oder nicht – und das ist auch gut so. Mein Leben, meine Arbeit, erden mich. Mein Pflegekind wird meine Prioritäten neu ordnen.“

Dass die World Mountain and Trail Running Championships 2023 Innsbruck-Stubai aber auch auf der Prioritätenliste Mayrs stehen, ist allerdings Fakt. „Noch kenne ich die Vertical-Strecke nicht, aber ich werde sie sicher vor dem Rennen begutachten. Leicht wird es sicher nicht, die Konkurrenz ist groß: Schweiz, USA, Kenia, Uganda. Und: von jedem Land gleich mehrere!“

Mit dem italienischen Team versteht sie sich wunderbar und fühlt sich zuweilen, wenn sie südlich des Brenners läuft, als eine der ihren. Im eigenen Team sagt die Bergspezialistin, die – auch aus Nachhaltigkeitsgründen – Löffler trägt und inov-8 läuft, Manuel Innerhofer eine große Zukunft voraus – „man muss sich keine Sorgen um die Sportart machen, wenn ich einmal tatsächlich aufgehört habe.“

Die Macher des Stubaier Berglaufs, Ernst Künz und Andreas Stern, werden sich freuen, Mayr einmal mehr in ihrem Tal agieren zu sehen, dort, wo sie bei so vielen Schlickeralmläufen so viele gute Erinnerungen aufgebaut hat. „Ich fühle mich im Stubai sehr wohl“, sagt sie.

Schwingt da Wehmut in ihrer Stimme mit, oder täuscht dies nur? Und wird dies tatsächlich die letzte WM sein, bei der sie an den Start geht?!

Fotos: (c) ÖLV / Riedenbauer, Marco Gulberti, WMTRC 2021 Chiang Mai, Julia Zraunig

Kurz-Steckbrief

Andrea Mayr, Österreich, geboren am 15. Oktober 1979 in Wels, aufgewachsen in Linz, studierte in Wien und lebt seit 2012 in Gmunden, ist die erfolgreichste Berglaufsportlerin in der Historie dieser Disziplin. Erfolge (Auswahl): Berglauf-Weltmeisterin 2006, 2008, 2010, 2012, 2014, 2016; WM-Zweite 2007, 2022; WM-Dritte: 2004; Berglauf-Europameisterin 2005, 2013, 2014, 2015; Weltmeisterin Skibergsteigen 2017 und 2019; Duathlon-Vizeeuropameisterin 2014