„Was gibt es Schöneres als bei einer Heim-Weltmeisterschaft teilnehmen zu können, und dort die beste Leistung abrufen zu wollen?!“

Florian Grasel

Florian Grasel

10.000 Stunden.

10.000 Stunden harte Arbeit. 10.000 Stunden Fleiß. 10.000 Stunden Disziplin. 10.000 Stunden, na ja: Ausdauer. Die 10.000 Stunden-Regel, die der US-Psychologe Anders Ericsson vor nunmehr 30 Jahren aufgestellt hat, ist eigentlich nichts anderes als das, was das „Übung macht den Meister“-Sprichwort hergibt.

Doch 10.000 Stunden klingen und sind wissenschaftlich, lassen sich quantifizieren und nachvollziehen. Ein Beispiel aus der Realität. Florian Grasel trainiert 20 Stunden in der Woche, das sind 80 im Monat und 1040 im Jahr (14 Tage geben wir ihm Urlaub). Florian ist 41 Jahre alt und vor rund zwölf Jahren so richtig in den Laufsport hineingekippt. Seitdem hat er also über 12.000 Stunden in etwas investiert, in dem er heute echt gut ist.

Echt gut ist selbstverständlich ein Hilfsausdruck. Grasel ist, Resultate bei der Hand, Österreichs erfolgreichster und bester Ultra-Trailläufer: kaum ein Rennen, das er nicht als Sieger oder auf dem Podest beendet hat, und zuweilen triumphiert er auch in überlegener Manier bei einer letzten langen Trainingseinheit vor dem Saisonhöhepunkt, wie im Jahr 2022 beim Pitz Alpine Glacier Trail. Das sollte doch nur eine Formüberprüfung für den (dann misslungenen) UTMB sein, heraus kam ein ungefährdeter Triumph. Es war der nächste von vielen des Niederösterreichers, der damit kokettiert, ein „Flachland-Tiroler“ zu sein.

Tirol, so viel Ehre muss sein, liebt der laufende Familienvater und IT-Unternehmer mit kabarettistischer Ader so sehr wie seinen beschaulichen Wohnort Bad Erlach. Immer dann, wenn es gerade passt, eilt er zu beruflichen Meetings gen Westen, um bei dieser Gelegenheit auch ein paar tausend ehrliche Höhenmeter abzulaufen, oder um auf dem Berliner Höhenweg im Zillertal in aller Schnelle eine Fastest Known Time hinzuknallen, die schon unterboten worden ist, noch ehe er wieder Niederösterreich erreicht hat. („Dass meine Zeit verbesserungswürdig war, habe ich gewusst. Aber ich habe nicht gerechnet, dass es der Rekord keine Viertelstunde halten würde.“)

Doch Grasel ist nicht nur das Beste, was Österreich im Juni 2023 auf dem Trail Long aufbieten wird können; er ist nicht nur erfolgreicher Trailläufer, sondern führt erfolgreich ein IT-Unternehmen mit einem halben Dutzend oder mehr Profis in diesem Gebiet, das Kunden wie ÖBB, Porr oder Rewe im Bereich Microsoft SharePoint betreut. Er ist Vater von Zwillingen, die Familie hält ihn genauso auf Trab wie seine anderen Lebensbereiche. Alles unter einen Hut zu bringen ist nicht immer einfach, aber es geht.

„Meine #lifeworktrailbalance ist mir unendlich wichtig.“

Dies ist die Lebenseinstellung des „Trailbeard Grasel“, und dieser Hashtag des BOA-Athleten ist in deutschsprachigen Trailrunning-Kreisen wohl einer der schönsten und wichtigsten.

Beim Innsbruck Alpine Trail Festival hat er noch nicht gewonnen, „jetzt versuche ich es eben bei den World Mountain and Trail Running Championships“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln. Wenn Grasel von der WM im eigenen Land spricht, dann spürt der Zuhörer jedenfalls, wie viel ihm dieser Event bedeutet. „Ich war schon bei zwei Weltmeisterschaften dabei. Ganz offiziell als einer der Besten des Landes das rot-weiß-rote Trikot tragen zu können ist schon ein unglaublich schönes Erlebnis. Das spürt man bei sich selbst und bei allen anderen Athleten und Athletinnen auch.“

„Und deswegen freue ich mich auf Innsbruck-Stubai – auf die Atmosphäre, die auf den Strecken herrschen wird, auf die perfekte Organisation, die wir in Tirol erwarten können, hoffentlich auch auf ein gutes Resultat.“

Die 10.000 Stunden, um es zur Meisterschaft zu bringen, hätte Grasel investiert. Wenn er daran denkt, muss er grinsen. „Natürlich hat jeder, der bei der Weltmeisterschaft dabei ist, auch tausende Stunden ins Trailrunning gesteckt. Und klarerweise werden bis Juni 2023 noch bei allen etliche hundert folgen – jeder will in Innsbruck-Stubai für sein Land die beste Leistung erbringen! Genießen wir den Weg dorthin und freuen uns alle auf das einmalige Trailrunning-Fest in Österreich!“  

Fest steht auf alle Fälle: Es ist besser, diese 10.000 Stunden zu haben, als nicht zu haben.

Fotos: © STLABS

Kurz-Steckbrief

Florian Grasel, Österreich, geboren am 28.6.1981 in Wr. Neustadt, wohnhaft in Bad Erlach, BOA-Athlet. Erfolge (Auswahl): Marathon-Bestzeit unter drei Stunden. Ironman-Triathlon-Bestzeit 10 Sekunden über 10 Stunden. 2016, 2017, 2018: Gewinner des Hochkönigman; 2018: Gewinner des Mozart 100 und Neunter beim UTMB; 2016, 2019: Gewinner des Großglockner Ultra Trails (GGUT); 2022: Gewinner des Eiger 250 (mit Tom Wagner/250 km und 20.000 Hm) und des PAGT.