Ein Medaillengewinn bei der Heim WM wäre schon sehr cool

Jakob Herrmann

Jakob Herrmann

Mit 14 war er einer der jüngsten Gleitschirmpiloten Österreichs. Mit 18 hatte er die Berechtigung, Tandemflüge anzubieten und brachte es bis heute auf 6000 Flüge. Mit 19 bestritt er sein erstes Rennen als Skibergsteiger und brachte es in dieser Sportart zur Meisterschaft und Profitum. Mit 31 stieg er so richtig in das Trailrunning – als Training für die Wintersaison – ein. Und mit 35, also heute, sagte er dem österreichischen Skibergsteiger-Nationalteam ade und steht er vor seiner ersten WM-Teilnahme und strebt hohe Ziele an: Man kann nicht sagen, dass Jakob Herrmann kein aufregendes Leben führen würde.

Doch worauf er sich während der ersten Apriltage dieses Jahres am meisten freut, sind nicht die nahenden WMTRC, sondern – der Umbau seiner Wohnung. „Wohnzimmer, Klo, Bad, Vorraum, Küche werden neu gemacht“, erzählt er, dass es eine größere Küche gibt, ist seiner Frau Andrea und ihm ein besonderes Anliegen.

Der frühere Lehrer für Mathematik und Hauswirtschaft ist nämlich ein leidenschaftlicher und hervorragender Koch und noch besserer Bäcker, besonders liebt er einfach Gerichte wie gegrilltes Gemüse und al dente gekochte Nudel mit Parmesan („das macht mich glücklicher als ein Steak mit Pommes“), Pizza und Polenta gehören ebenso zu seinem Repertoire wie der in Bekanntenkreisen legendäre Kaiserschmarrn oder die Mohnnudeln.

Dass der Umbau seine WM-Chancen schmälern würde, glaubt Herrmann nicht – ganz im Gegenteil. „Es tut mir gut, nach dem Trofeo Mezzalama am 22. April – eines der größten Ski-Geländerennen mit zwei Gipfeln über 4000 m – gedanklich weg vom Sport zu kommen und mich mit anderen Dingen beschäftige“, sagt der Spitzensportler. „Ich habe eine sehr gute Lunge, eher laufe ich Gefahr, zu viel zu trainieren und muskuläre Probleme zu bekommen.“ Als Skibergsteiger ist er übrigens mit Martin Anthamatten und Werner Marti bei der „Mezzelama“ unterwegs. Vielleicht trifft er auf die beiden Schweizer auch in Tirol – das Duo will sich Anfang Mai noch für die WM qualifizieren.

„Wenn ich mir in Österreich eine Stadt zum Leben aussuchen müsste, dann wäre es Innsbruck. Das ist schon eine sehr coole Stadt. Hinzu kommt, dass ich die Nordkette liebe und Stubai sehr mag.“

Wie konträr der Anspruch des Organs und die Wirklichkeit seiner Beine sein kann, erlebte der Werfenwenger vor zwei Jahren beim Großglockner Trail über 57 km, den er zuerst anführte, bergab aber auf einer Forststraße zu viel Tempo machte und letztlich auf Platz drei endete. Überhaupt, Forststraßen bei einem Trail-Wettbewerb! Jakob Herrmann hat da klare Meinungen dazu und setzt eigene Prioritäten. „Gewisse Ultratrails sind von der Streckenführung schlichtweg zu einfach.“ Deswegen heißt es im Spätsommer auch nicht UTMB, sondern TDS für den Salzburger.

Der Trail Long der World Mountain and Trail Running Championships 2023 Innsbruck-Stubai sollte ihm bedingt entgegenkommen, die Strecke weist 73 % Trail-, 12 % Forst-, 15 % Asphalt-Anteil auf 85,6 km auf. Herrmann, der einen ITRA-Index von 861 (Stand: 5.4.23) und sich initiativ für das österreichische Team beworben hat, ist guter Dinge.

„Bei einer WM im Skibergsteigen war ich schon dabei, doch ich denke, dass das Erlebnis bei dem WMTRC in Tirol weitaus größer und beeindruckender sein wird. Meine Erwartungen sind sehr hoch, was ich von der Organisation höre wirkt alles sehr professionell. Da muss viel Arbeit und Leidenschaft dahinterstecken. Ich gehe von einer hochqualitativen WM aus“, sagt er.

„Ich habe mich bei den österreichischen Verantwortlichen gemeldet und angefragt, ob ich Chancen auf einen Startplatz hätte, weil ich andere, die im vorläufigen Kader stehen, schon kannte und gegen diese auch gelaufen bin. Meine Chancen kann ich schwer einschätzen, das Starterfeld ist sicher stärker als bei den ersten WMTRC in Thailand. Eine Medaille zu gewinnen wäre cool, einen Top 5-Platz strebe ich an. Der Reiz dieses Events liegt für mich auch in seiner Herausforderung – aber man muss schon auch Ziele haben.“

Herrmann weiß aber auch wie schnell sich Dinge in eine andere Richtung entwickeln können. Im Vorjahr stürzte er beim OCC und musste mit Gehirnerschütterung aufgeben. Unfallfrei ins Ziel kommen ist somit seine erste Devise, und wenn es dann eine Platzierung unter den ersten 10 oder 15 ist – auch gut.

Fotos: (c) Skimostats, Philipp Reiter, Andrea Herrmann, Nils Lang, Ian Corless

Kurz-Steckbrief

Jakob Herrmann (Österreich), geboren am 24. Juli 1987 in Wien, übersiedelte mit drei Jahren nach Werfenweng, Skisportler für den SC Werfenweng und Läufer für Kolland Top Sport, Sponsoren Dynafit und Hervis. Größte Erfolge (Auswahl): 2013 Sieger Dolomitenmann (Paragleiter): 2019 Sieger Monte Rosa Skyrace, Dritter (Kombination) bei Skyrace-EM; 2020: Sieger Hochkönig Skyrace, Dritter Kaiserkrone; 2021: Dritter GGT60.